Ist der TAZ-Artikel bereits fahrlässig?

Dies hier ist ein Fortsetzungsbeitrag auf diesen Artikel:
Einzelfall als journalistischer Gradmesser

Dass wir das Journalisten-Team der taz an Experten zu dieser Thematik verwiesen haben, wurde bereits festgehalten:

„Die beiden Journalisten der taz traten im November 2022 mit einer Interviewanfrage an uns, (Marvel Stella und mich) heran, da sie sich – wie sie schrieben – nach Veröffentlichung eines Interviews mit Kritik konfrontiert sahen und einen Artikel planten , in dem es um die Kontroverse gehen soll. Wir verwiesen das Journalistenteam an die Gutachter des Schweizer Untersuchungsberichts, an den forensischen Psychiater Prof. Dr. Frank Urbaniok und an die GWUP, die allesamt Experten zu diesem Thema sind.“

Quelle: Einzelfall als journalistischer Gradmesser

Dennoch kamen, wenn man den Quellen folgt, im taz-Artikel einzig diejenigen zu Wort, die seit Jahren und Jahrzehnten das Narrativ der satanisch-rituellen Gewalt in groß angelegten nationalen und internationalen Kulten pflegen und verbreiten.

In ihrem Artikel schreiben die beiden Journalisten:

„In diesem Text stehen also ein Stück weit journalistische Sorgfaltspflicht gegen den Schutz der Betroffenen.“ 

Quelle: TAZ: Rituelle Gewalt

Man hätte nicht die Angehörigen kontaktieren, sondern einfach nur das tun müssen, was geplant war, um sich ein ganzheitliches Bild zu machen. Wer den jahrzehntelangen Recherchen der Satanic Panic Kritiker folgt, kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass derartige Kultverbrechen Verschwörungsmythen sind. Siehe dazu auch meinen Artikel: Bernd Harder über Dissoziationen.de.

Neben der mangelhaften journalistischen Recherche ist kritikwürdig, dass man selbst schreibt, man würde den Opferschutz der journalistischen Sorgfaltspflicht gegenüberstellen, während man den Artikel im selben Atemzug mit der Tatsachen-Behauptung „Eine ausgeblendete Realität“ tituliert. Das ist ein Fauxpas, der souveränen Medien nicht passieren dürfte.

Bewusste Einseitigkeit bei den Recherchen?

Auf Grund der Anfrage bei uns und der Erwähnung, man habe die journalistische Sorgfaltspflicht dem Opferschutz gegenübergestellt – und hier beginnt die Besonderheit des Artikels – besteht ein Bewusstsein für die außerordentliche Brisanz der Thematik und damit könnte man bereits eine gewisse Fahrlässigkeit in Betracht ziehen. Obendrein wurden auch noch die Ermittlungen in der Schweiz angesprochen, ohne jedoch die Ermittlungen aller Untersuchungen zu berücksichtigen. Auch die Ergebnisse aus den Niederlanden fanden keinerlei Berücksichtigung.

Genauso wenig wurde berücksichtig, dass auf Grund dieser Ermittlungen der Fachtag in München abgesagt wurde, in dem der satanisch-rituelle Missbrauch thematisiert werden sollte:

Auch Claudia Fliß („eine der dogmatischsten Verfechter:innen der Mind-Control-Theorie“, wie sie die WOZ Zeitung nannte) , die auch in dem „Untersuchungsbericht in Sachen Clienia Littenheid AG“ harsch kritisiert wurde, wurde von der DeGPT-Jahrestagung mit einer E-Mail ausgeladen.

Eine Logikfrage sei erlaubt: Würde all das geschehen, wenn man einzig nur vor hat, der Wissenschaft und Realität zu folgen?

In dem Zusammenhang kam natürlich, was kommen musste, denn genau das passiert immer, wenn man sich nur einseitig bzw. nur da recherchiert, wo Netzwerke das Narrativ der Satanic Panic pflegen. Es findet eine Vermischung der Straftatbestände und Verzerrung der Begrifflichkeiten statt. Siehe dazu:

Dieser Prozess, das Augenmerk zunehmend von der satanisch-rituellen Kult-Gewalt auf eine organisierte (kinderpornografische) und sadistische Gewalt zu lenken, nahm in den letzten Jahren nach zunehmender Kritik Fahrt auf. Vor allem jetzt, nachdem der Beweis erbracht wurde, dass es den satanischen Missbrauch in groß angelegten Kulten nicht gibt. Plötzlich sprechen alle, die jahrzehntelang gepredigt haben, Kinder werden in satanischen Kulten mit Mind Control Programmierungen gequält und gespalten, nur noch davon, dass Kinder in germano-faschistischen, sadistischen und organisierten Kulten und Kreisen gefoltert und gespalten werden.

Die taz schließ sich dem Prozess an?

Forschung

Um eine Aussage aus dem Artikel zu zitieren:

„Eine sachliche Diskussion zu führen, ist gar nicht so einfach, denn es gibt kaum Forschung.“

In Anbetracht dessen, dass sich Kriminologen und Staatsanwälte mit allen verfügbaren Mitteln weltweit seit mindestens 40 Jahren intensiv mit der Thematik befassen, ist es sehr gewagt, davon zu sprechen, dass es kaum Forschung gibt.

Alleine der Fall „die Nicki(s)“ , die sich sehr öffentlichkeitswirksam als Opfer eines satanischen Kults präsentiert, führte dazu, dass sich drei Staatsanwälte zehn Jahre lang mit dem Fall befasst haben. Um den Staatsanwalt Ralf Vetter zu zitieren:

„Diese Ermittlung ist außerordentlich komplex. Die psychisch kranke Frau nannte einen Täter mit Vornamen, aber wir konnten ihn nicht ermitteln. Ihre Angaben sind unkonkret oder werden durch die Ermittlungen widerlegt.“

Quelle: Artikel: Berliner Zeitung

Fest stand am Ende einzig, dass der Stiefvater sie sexuell missbrauch hat. Schlimm genug! Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass trotz einer jahrelangen, intensiven Recherche kein satanischer Missbrauch und Kult ermittelt werden konnte.

Wie kann man in Anbetracht dessen, so auch in Anbetracht all der umfangreichen Ermittlungen in den USA davon reden, dass es kaum Forschung gibt?

All die Kapazitäten, die man nach wie vor in diese Verschwörungen investiert und auch weiterhin investieren wird, verliert man an anderer Stelle, wo es vielleicht sogar um tatsächlich bedrohliche und gefährliche Straftaten geht.

Und damit kommen wir bereits zu einem meiner Kernanliegen. Nora sprach es in ihrem Beitrag bereits an: Nämlich die Grenze zur Unterstellung. Genau das ist es, wenn man in den Raum stellt, Kritiker der Verschwörungstheorie von „ritueller Gewalt-Mind Control“ würden organisierte Gewalt, so auch Ausbeutung und Manipulation in Abrede stellen, während man im selben Kontext die GWUP namentlich erwähnt.

In der GWUP, der auch ich im Januar 2023 beigetreten bin, arbeiten Kriminalpsychologen, wie u.a. die Expertin Lydia Benecke, die seit etlichen Jahren aufzuklären versucht. Wenn überhaupt Menschen zu 100% darüber informiert sind, was im kriminellen Milieu abläuft bzw. passiert, dann Kriminologen, wie u.a. auch Dirk Bosse, oder eben Kriminalpsychologen.

Bernd Harder, Redakteur der GWUP-Blogseite, schreibt nun in einem Kommentar unter dem taz-Beitrag:

Herr Harder zitiert die taz:
»Natürlich sind diese Schilderungen schwer auszuhalten. Aber wenn unsere Vernunft versucht, das Unvorstellbare zu blockieren …«

und antwortet:
»Das ist weder „unvorstellbar“, noch wird versucht, solche Vorstellungen zu „blockieren“.
Warum sollten z.B. erfahrene Mordermittler oder Kriminalpsychologen, die sich seit Jahrzehnten mit allen nur vorstellbaren menschlichen Abgründen beschäftigen, hier etwas gedanklich „blockieren“ oder als „unvorstellbar“ abtun, nur weil diese Taten sich in einem angeblichen „Kult“ ereignen und angeblichen „Riten“ folgen?
Die Taten selbst bleiben doch das, was sie sind – egal in welchem Umfeld sie geschehen. Das Argument, angeblicher „ritueller Missbrauch“ würde gedanklich verdrängt, weil er „schwer auszuhalten“ sei, stimmt also nicht.«


Zitat aus dem Artikel:
»Ich persönlich kann es kaum nachvollziehen, warum man Erzählungen wie diese als Verschwörungstheorie abtun sollte.«


Bernd Harder:
»Weil sie alle Elemente einer Verschwörungstheorie aufweisen, insbesondere die selbstimmunisierende angebliche Unbeweisbarkeit. Wir wissen von zahllosen echten, realen Verschwörungen sowie aus der Kriminologie, Psychologie und Geschichte, dass solche monströsen Verbrechen mit angeblich zahllosen Opfern in riesigen Täternetzwerken mit Tausenden Mitwissern über Jahre und Jahrzehnte hinweg völlig unmöglich geheim und verborgen bleiben würden.
Wieso werden in viel größeren und mächtigeren und einflussreicheren Organisationen wie Zeugen Jehovas, Kirchen etc. permanent Missbrauchsfälle aufgedeckt – nur in den angeblichen „Kulten“, wie sie im Artikel geschildert werden, nicht?
Das ist nicht glaubhaft. Auch Satanisten, Nazis, Faschisten etc.pp. sind keine Übermenschen und „Superverschwörer“, die sich dauerhaft jeder Strafverfolgung entziehen, jeden Mitwisser zum Schweigen bringen und jedes Opfer manipulieren können und die nie Streit oder Geldprobleme oder persönliche Geltungsbedürfnisse haben oder einfach aus dem Ganzen aussteigen wollen.«
Kommentar unter dem TAZ Artikel

Diese Zeilen können komplett für sich selbst stehen gelassen werden!

Opferschutz

Die Taz gibt vor, den Opferschutz einer journalistischen Sorgfaltspflicht gegenüber zu stellen. Haben die beiden Journalisten in dem Fall auch an all die Opfer gedacht, die zu Unrecht beschuldigt und deren Leben unwiderruflich zerstört wird? Oder all die Opfer, die in eine Angstpsychose hinein getrieben werden? Und was ist mit den Opfern, die sich auf Grund der soeben benannten Angstpsychose, die einzig nur auf Grund der Therapie in Gang gesetzt wurde, das Leben nehmen? Oder all die Opfer, die irgendwann begreifen müssen, dass sie von wahnhaften Therapeuten in eine Scheinwelt hinein getrieben wurden, die alles Lebenswerte in ihrem Leben zerstört hat?

Auch wir, Nora und ich, glaubten mal, Opferschutz zu betreiben. Nämlich einen festgelegten Opferschutz, der mittlerweile nicht mehr zulässt, dass man auch andere Seiten beleuchten darf. Die Zeiten, da Missbrauch noch in Abrede gestellt wurde, sind lange vorbei. Das Ganze ist radikal zur anderen Seite gekippt. Nicht unbedingt im Sinne der tatsächlichen Opfer, denn die Zeit der Zweifel hat auf Grund der feministischen Bewegung, die (fast) jeden Mann zum Täter macht und die auch das Narrativ des satanisch-rituellen Missbrauchs in Europa einführte, wieder begonnen. Inzwischen muss man erneut anfangen, fast jeden geschilderten Missbrauchsfall zu hinterfragen, weil mit genau diesem Missbrauch seit Jahren Missbrauch betrieben wird. Das, was hier passiert, ist nicht im Sinne des Opferschutz…

Das ist opferfeindlich!

Weiterführende Informationen:

2 Kommentare

  1. Mal eine Ergänzung, weil ich es ebenfalls erwähnenswert finde.

    Bezüglich der Aussage zur Studie am Uniklinikum Ulm, hatte ich eine Anfrage an den medizinischen Leiter gestellt und folgende Antwort bekommen:

    „das indirekte Zitat ist weitgehend korrekt, wobei ich nicht geraten habe eine Forschungseinrichtung anzufragen die keine Ethikkommission hat, sondern gesagt hatte, dass eine andere Ethikkommission durchaus anders entscheiden könnte und wir als Mediziner eben verpflichtet sind jede Studie der lokal zuständigen Ethikkommission vorzulegen.“

    Die Ethik-Kommission wollte keinerlei Auskunft zu der Entscheidung erteilen und berief sich dabei auf strenge Datenschutzregeln.

  2. Ein Stück journalistische Sorgfaltspflicht, dem die Autor*innen des taz-Artikels problemlos hätten nachgehen können: Einfach mal bei Wissenschaftler*innen oder Journalist*innen, die sich schwerpunktmäßig mit Neofaschismus beschäftigen, nachfragen, ob die etwas über „germano-faschistische“ Folterkulte wissen. In der taz schreiben selber namhafte Expert*innen zum Thema Rechtsextremismus. Es kann doch nicht sein, dass niemandem auffällt, dass die merkwürdige Bezeichnung „germano-faschistisch“ im RG-Kontext zwar oft gebraucht wird, in wissenschaftlichen oder journalistischen Recherche-Arbeiten über faschistische Netzwerke und Gruppen aber nicht.

    Bzw. noch mehr: Der Artikel selbst lässt die Vermutung zu, dass die Verfasser*innen den Ausdruck seltsam fanden, aber anscheinend nicht nachgefragt haben. Sonst hätten sie doch wahrscheinlich nicht eine distanzierende Formulierung wie „Wenn Winter von der Gruppierung spricht […], nennt sie diese …“ benutzt.

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