Leonie im Podcast: Viel Mut und eine Message

Autorin: Nora

Leonie hat das Unfassbare durchgemacht: eine Fehltherapie durch Satanic Panic-gläubige Therapeuten, wie der Schweizer Rundfunk vergangene Woche in einer Reportage berichtete. Wie es ihr jetzt geht? Darüber spricht sie in einem Podcast-Interview mit Robin Rehmann.

Es ist anders“, sagt die junge Frau, „nun wo alle davon wissen“. Der Mut, ihre Geschichte öffentlich zu erzählen, hat Menschen bewegt. Neben viel Zuspruch folgten – es war wohl leider zu erwarten – jede Menge an Verschwörungs-affinen Kommentaren auf YouTube.

Doch Leonie lässt sich davon weder unterkriegen noch bevormunden und dem Vorwurf, die SRF-Doku hätte sie vor den Vorhang gezerrt, kontert sie klar und deutlich. Zu oft werden Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht nur aufgrund der Krankheit stigmatisiert, sondern es werden ihnen Eigenkompetenz und Handlungsfähigkeit komplett abgesprochen – und im Fall von Leonie nun auch die Verschwörungstheorie in die Schuhe geschoben.

Wenn das nicht an die Öffentlichkeit kommt, dann wird sich nie etwas ändern“, sagt Leonie und genau das war eine Grund, Robin Rehmann und Ilona Stämpfli ihre Geschichte zu erzählen.

Suggestion ab Diagnosestellung

Leonie wurde eine Dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert und – um diese Diagnose zu erklären – anschließend regelrecht nach einem Trauma gesucht: „Anstatt dass man Schritte gesetzt und eine andere Diagnose in Betracht gezogen hätte, hat man dann einfach das Trauma gesucht“, beschreibt Leonie rückblickend das damalige Vorgehen. Der „Erfolg“ dieser Art von Diagnostik erzeugt mehr nur als einen kalten Schauer über den Rücken: Leonie wurde von ihrer Therapeutin sukzessive soweit gebracht, selbst an einen rituellen Missbrauch durch Kultgruppen zu glauben.

Für Außenstehende ist es nur schwer vorstellbar, was Leonie erlebt haben muss: Die Angst sich aufgrund der DIS-Diagnose nicht erinnern zu können, die Unsicherheit, was man an Missbrauch angeblich immer noch regelmäßig erlebe und zu ihrem „Schutz“ nachts in der Psychiatrie ans Bett fixiert zu werden. Dazu kam noch die ihr eingeredeten Unterstellungen, sie wäre von Mind Control betroffen und hätte selbst „Babys geschlachtet“ – heftige Unterstellungen, die sich allerdings als Tatsachen formuliert in den Klinikberichten finden.

Wenn Kontrollinstanzen fehlen

Man nimmt an, dass Therapeuten und Kliniken irgendwie kontrolliert werden, „wenn die irgendeinen Mist machen, dass das bemerkt wird und jemand eingreift“. Doch bei Leonie war es nicht so. Im Gegenteil. Die Überwachung, Hausdurchsuchung und Abhöraktion seitens der Staatsanwaltschaft, der therapeutische Vorschlag, sie als Schutzaufenthalt nach Südafrika zu bringen, all das erinnert an die allseitige Kontrolle, die angeblich Tätergruppen ausüben würden: „Wenn ich die Situation jetzt aus Distanz betrachte“, schildert Leonie, „ist das, was man mir all die Jahre zu erklären probierte, dass die Täter mit mir Mind Control betrieben, meine Gedanken kontrollieren und mir Sachen einreden, und dass ich eben von denen kontrolliert werde, eigentlich genau das gewesen, was die Therapeutin, der Therapeut in der Klinik und die Staatsanwaltschaft gemacht haben.“

Das erinnert in einer sehr traurigen Weise an das Zitat von Friedrich Nietzsche:

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“

Bloß dass es bei der Satanic Panic Verschwörungstheorie nicht um Monster geht, sondern um die fiktive Annahme von international agierenden (satanistischen) Kult-Gruppen. Ein Abgrund ist es jedoch allemal, vor allem für die Betroffenen dieser Fehltherapie.

Mir ist es vor der Therapie besser gegangen“

Wenn jemand in eine Psychotherapie oder zum Arzt geht – man glaubt denen“. Also den Ärzten oder Therapeuten – so bringt Leonie die große Gefahr von suggestiver Falschbehandlung auf den Punkt: Das Vertrauen, was man als Klient in den behandelnden Therapeuten hat, und welches im Fall von dessen Zugehörigkeit zu dieser Verschwörungstheorie mehr als schwer enttäuscht wurde. „Die sieben Jahre bei dieser Therapeutin haben mich kränker gemacht“, stellt Leonie fest, davor war es ihr besser gegangen.

Es ist nicht zum Aushalten, dass das die Realität sein musste“, ist Robin Rehmann tief schockiert. Er kann das alles nicht fassen, sagt der Journalist – auch dass derartig suggestive Therapie mehren Menschen passierte und im Fall der Patienten-Suizide am Klinikum Münsingen die Fehltherapie krankheitsfördernd war, wie aus dem Untersuchungsbericht klar hervorgeht. Dieser Bericht zeigt viel auf und ist super, sagt Leonie, aber von der Untersuchung hätte sie sich mehr erhofft als ein paar Maßnahmen und „danach ist alles gut.“

Leonie sucht seit Monaten nach einem neuen Therapieplatz und bekommt nur Absagen: „Das Problem ist, wenn ich an das noch glauben würde, das wär mega einfach einen Platz zu bekommen.“ Dann wäre das jetzt bloß ein „täterloyaler Anteil“ gewesen.

Auch das ist unfassbar – Menschen wie Leonie, die durch Falschtherapie zu Opfern gemacht worden sind, aber danach nur schwer Hilfe finden: „Ich habe schon unter dieser Therapie gelitten, ich kann nichts dafür, dass diese Fehltherapie passiert und jetzt leide ich ein zweites Mal drunter, weil sich niemand mehr mit diesem Thema befassen will.“

Für Opfer derartiger Fehltherapie gibt es Menschen, die beim Ausstieg aus dieser Verschwörung helfen. Für Leonie waren die beiden Journalisten ihre große Stütze, die sie ein Jahr lang in jeder Situation begleitet haben: „Egal wie scheiße es mir gegangen ist, ihr seid da gewesen.“

Genau das ist auch die Message, die Leonie an andere Betroffene der Verschwörungstheorie sendet: „Ihr seid nicht allein“.

Konsequenzen? Zu wenig.

Welche Konsequenzen werden nun aus dem Skandal gezogen? Auf professioneller Seite zu wenig. Der therapeutische Berufsverband handelt nicht, stellt Robin Rehmann fest. Therapeuten machen mit dieser Verschwörungstheorie weiter und abseits einiger weniger personeller Konsequenzen hat sich in den von Satanic-Panic-Einflüssen betroffenen Kliniken wenig getan. „Die anderen machen dort weiter“, befürchtet Leonie.

Es scheint ein Weitermachen auch im Hinblick auf die Situation in Deutschland, wo in wenigen Wochen ein Fachtag zum Thema Rituelle Gewalt in München stattfindet: als wäre nichts gewesen.

Wir decken es auf“, sagt Robin Rehmann als Journalist, „und es passiert nichts. What?!!“

Ja, das ist wirklich unfassbar: der Skandal hinter dem Skandal. Oder anders ausgedrückt: das Schweigen, welches auf den Skandal folgt.

Dieser Artikel stammt aus der Kategorie: Eine Betroffene spricht (Artikel von unten nach oben)

  1. Suggestive Fehltherapie mit fatalen Folgen
  2. Hugo Stamm über Leonies Fehltherapie
  3. Exzellente Kommentare mit Bravour
  4. Podcast mit Robin Rehmann und Leonie: Verschwörungsmythen in der Psychotherapie
  5. Q&A von Robin Rehmann und Ilona Stämpfli

Weiterführende Informationen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert