Artefakte

Eine persönliche Betrachtung
Autorin: Marvel Stella

In diesem Beitrag möchte ich etwas ansprechen, was viele meiner Leser vielleicht noch nicht wissen: Ich bin in einigen (wenigen) meiner Beiträge nicht ganz so objektiv. Gerade dann, wenn es um Verhaltensweisen und (Falsch-)Darstellungen mancher Betroffener geht, hat sich bei mir trotz meiner zugrundeliegenden Identitätsspaltung, die mir im Allgemeinen Neutralität verschafft, eine gehörige Portion Subjektivität eingeschlichen, die nicht von Beginn an vorhanden war.

Gegen einen Teil der Betroffenen, die vorgeben, Opfer eines rituell-satanischen, internationalen Kults und Mind Control-Programmierung zu sein, scheine ich inzwischen eine gewisse Aversion entwickelt zu haben.

Ich möchte betonen, dass sich diese Aversion nicht gegen alle Betroffenen richtet – ganz im Gegenteil:

Grundsätzlich betrachte ich diejenigen, die überzeugt sind, satanisch missbraucht worden zu sein, als Therapie-Opfer. Gerade auch Menschen wie Jenny Doe, die zweite Frau, die sich in Deutschland geoutet hat, dass sie falsche Erinnerungen suggestiv eingepflanzt bekam und jetzt auch Leonie aus der Schweiz erzeugen in mir ein allumfassendes Verständnis und sehr viel Mitgefühl. Das sind letztendlich auch genau die Menschen, denen ich – neben all den zu Unrecht Beschuldigten – zu helfen versuche.

Aber es gibt auch andere „Betroffene“, bei denen ich arge Zweifel daran habe, dass sie Therapieopfer sind. Zwar nehme ich an, dass auch sie in gewisser Weise Opfer von sexuellem Missbrauch sind, woraus sich in Folge eine ernstzunehmende Störung entwickelt hat, aber ich glaube nicht daran, dass sie suggestiv in der Therapie beeinflusst wurden. Dafür sind sie zu autonom und zu dominant aktiv. Sie schreiben Bücher, geben sich selbst teilweise als geschulte Pädagogen aus, streben die Darstellungen des eigenen satanischen Missbrauchs in öffentlichen Dokumentationen an, sind überaus aggressiv, wenn man Zweifel äußert, bezeichnen jeden als Täter und täterloyal, der hinterfragt und grenzen aktiv Personen aus, die nicht mit dem Strom mitschwimmen. Das sind sektentypische Eigenschaften, die Opfer einer suggestiven Therapie eher nicht aufweisen. Zumindest ist es aus meiner Perspektive unwahrscheinlich.

Natürlich schließen sich dieser kleinen Gruppierung auch viele Menschen an, die suggestiv in der Therapie beeinflusst worden sind, denn die drohende Ausgrenzung ist eine sehr dominante Gestaltungsform in einer Gruppendynamik. Siehe dazu den Artikel: Zugehörigkeit und Gruppendruck.

Ganz speziell möchte ich in diesem Zusammenhang auch den erschütternden Tatsachenbericht Zersplitterung nach Therapie – Bedenkliche Auswirkungen der „Rituelle Gewalt Mind-Control“- Theorie von Bianca Liebrand empfehlen.
Quelle: Sekten Info NRW

Der hierarchisch leitende Kern dieser Gruppierung traf – davon bin ich persönlich überzeugt – irgendwann einmal bewusst die Entscheidung, auf Grund eines nicht ganz unerheblichen Eigennutzes ein falsches Spiel zu spielen.

In einigen (?) Fällen scheint es ein stillschweigendes Abkommen zwischen Therapeuten und Patienten zu geben, das man – beidseitig – interpretieren kann: „Gib du mir eine Bedeutung, dann gebe auch ich dir eine!“ Darauf weist u.a. auch die Beschreibung einer – so könnte man meinen – Hollywoodreifen-Bühneninszenierung in dem Zeitdokument „MPS – Eine neue Frauenkrankheit?“ hin.

Mein Problem ist – und damit wird es teilweise persönlich – dass die Dissoziative Identitätsstörung Gegenstand dieses falschen Spiels ist. Eine Störung, die kaum jemand kennt und einschätzen kann und bei der sich sogar Fachleute und Wissenschaftler unsicher sind. Eine Störung, die ein kleiner therapeutischer Kreis vereinnahmt hat, um beweisen zu können, dass es rituelle (satanische) Gewalt gibt. Unglücklicherweise sind das genau jene Therapeuten, die mit den passgerechten Patienten diese vermutete – wahrscheinlich niemals laut ausgesprochene – Abmachung pflegen.

Die Folgen der – vermuteten – Abmachung waren und sind, dass man sich gegenseitig auf ein Podest stellt, dass man „zusammenarbeitet“, sich vice versa in der Außenkommunikation bestärkt sowie dass Patienten bezeugen, was Therapeuten schreiben/sagen und umgekehrt, dass Therapeuten bezeugen, was Patienten schreiben/sagen.

Selbst wenn es keine stillschweigende Abmachung geben sollte, so läuft das kollusive Zusammenspiel doch darauf hinaus, dass einige Therapeuten den passenden Deckel zum Topf gefunden haben (oder umgekehrt) und sich wie in einer Symbiose gegenseitig am „Leben“ erhalten – was nicht ganz unabhängig von Bedeutung und finanziellen Interessen ist.

Diese gesamte Verzerrung einer Krankheit, an der ich leide – erzeugt bei mir anscheinend eine Aversion. Zumindest hinterlässt es ein ungutes Gefühl und den Eindruck, dass Artefakte es schaffen, aus einer schweren Störung eine Lachnummer und damit ein Outing peinlich zu machen.

Bei diesen Personen zweifle ich nicht nur die suggestive Beeinflussung seitens der Therapeuten an, sondern stellenweise auch die Diagnose. Wie weiter oben geschrieben, glaube ich zwar, dass die Personen einen sexuellen Missbrauch erlebt haben und sich daraus eine schwere Störung entwickelt hat, aber ich glaube nicht, dass das eine Dissoziative Identitätsstörung ist: Zu identisch ist die Darstellung bei den Betroffenen in Bild, Video und Text mit den „Skripten“ einiger namhafter Therapeuten, die über die Störung im Kontext mit der rituellen-satanischen Gewalt publizieren.

Ich berücksichtige durchaus, dass auch Betroffene einer DIS individuell sind/sein können, jedoch sehe ich, wenn die Darstellung allem widerspricht, was eine Dissoziative Identitätsstörung ausmacht bzw. wofür diese Störung im Kern „dient“.

Skeptisch bin ich auch dann, wenn DIS-Betroffene Interessen und durchaus professionelle Fähigkeiten haben, die prädestiniert dafür sind, Charaktere aus dem Hut zu zaubern, zu formen und mit viel Übung zu perfektionieren.

So gibt es auf YouTube und in den Blog-Welten u.a. eine DIS-Betroffene, die mit ihrem Interesse, Hörspielsprecherin  zu werden, durchaus offen umgeht. Ich finde das auch völlig in Ordnung, natürlich können DIS-Betroffene Schriftsteller sein, Hörspielsprecher und ggf. sogar Schauspieler. Nur muss man sich dann am Ende fragen, was bzw. wer nun zu den Spielern gehört und wer zu den dissoziierten Persönlichkeitsanteilen, die einst aus einem Trauma heraus entstanden sind.

Die Userin schreibt, dass sich die Stimmen in den Büchern und/oder Hörspielen jeweils verändern, je nachdem, welche Person aus dem Inneren gerade spricht. Demzufolge seien die Stimmen, so ihre Auskunft, authentisch.

Sieht man sich jedoch in dem entsprechenden Forum um, – weit ab von Multiplen – wo sie ihre Stimmproben bewerten lässt, hört sich das ganz anders an: Dort schreibt sie, sie sei als Hörbuchleserin im Privaten aktiv und habe sich deswegen auch einige männliche Charaktere zugelegt. Sie schreibt weiter, dass sie versucht, ihre Charaktere mit Leben zu füllen. Ein anderes Mal ist sie offensichtlich sehr bewegt, weil ihr das Spielen mit der Stimme so derart viel Spaß macht, dass sie gar nicht aufhören könne, in ihrer Sprecherbox zu hocken. Sie beschreibt ausführlich, welche Stimmen wofür konkret am besten geeignet seien, fragt nach, ob ein Keifen eher zu einem Teenager passen würde, was sie nicht so recht weiß, weil ihr das Katalogisieren schwer fällt und irgendwo heißt es noch, dass sie ihre Charaktere ausarbeitet, so wie es – ihrer Vorstellung nach – zu diesem oder jenem Typ passen würde.

Authentizität ist anders!

Erinnerungen

All das erinnert mich an meine Erfahrungen vor ca. 15 Jahren mit einer Frau, die offiziell die Borderline-Diagnose hatte, und hauptberuflich als Schriftstellerin und Lektorin tätig war – also geübt in der Erstellung von Charakteren. Um sich mit ihren Charakteren auszuprobieren, benutzte sie das Internet. Dort betrog und belog sie jahrelang etliche Internetuser auf einer Freundschaftsebene. Sie wollte nämlich testen, wie ihre kreierten Charaktere in Gruppen, Foren und Freundschaften gesehen und wahrgenommen werden, ohne dass das Gegenüber weiß, dass die männlichen Charaktere (zwei an der Zahl) von einer weiblichen Schriftstellerin wie in einem psychologischen „Experiment an Menschen“ eingesetzt werden.

Ihre Worte, die sie als Schriftstellerin tätigte, waren einst:

„Neben Zerstreuung suchen wir in Geschichten nach Antworten, versuchen uns darin zu spiegeln und zu finden. Wir suchen nach Menschen, mit denen wir uns identifizieren können.
Um einen Charakter mehrdimensional, vielschichtig zu erschaffen, müssen Sie bereit sein, sich auf einen spannenden Prozess einzulassen, der aus einer einfachen Schachfigur, wie einem unbedeutenden Bauern, einen Menschen mit Ecken und Kanten formt. Sie erschaffen einen Charakter, der Durchschlagskraft besitzt. Richtig aufgebaut, kann auch ein Bauer einem König Schach bieten.“

Das, was sie schrieb, um für sich als Schriftstellerin und Lektorin zu werben, zelebrierte sie im Internet jahrelang. Mit all ihren Rollen-Identitäten baute sie Freundschaften auf, ohne den Freunden zu sagen, dass die männlichen Personen nur virtuell existieren. Somit konnte sie Menschen über sich selbst ausfragen und/oder manipulieren und trieb manch einen User in ernsthaft psychische Ausnahmesituationen.

Als der Fake schließlich in allen Einzelheiten aufflog – irgendwann kam sogar ein Geständnis – tauchte sie eine Zeitlang in der multiplen Szene unter, um ihr Spiel – dieses Mal offiziell als Multiple – weiterspielen zu können. Natürlich in der Hoffnung, dort an die Zuneigung und Wertschätzung heranzukommen, die sie zuvor von all den Freunden bekommen hatte, die sie betrog. Bei den Multiplen aber stieß sie auf viele Betroffene mit einer ihr ähnlich stark gelagerten Wut und Aggressivität, machte sich in Folge sehr unbeliebt und ward von nun an verschwunden.

Seit ich Zeuge und sogar Mitwirkende bei der Aufklärung dieses Betrugs war, was jetzt über 10, fast 15 Jahre zurückliegt, weiß ich, wozu das Internet animiert. Betroffene – zumeist mit einer Borderline-Problematik – verlieren sich in ihrem identitären Spiel und kommen aus dieser Nummer nicht mehr heraus, ohne dass das Lügen-Kartenhaus in erschütternder Weise zusammenbricht und sie ihren kompletten Bekanntenkreis, der sich mit Hilfe der Lügen aufgebaut hat, verlieren.

In der Zeit, als sich diese Borderline-Betroffene, die gleichzeitig Schriftstellerin war, einen großen Freundeskreis aufgebaut hatte, erhielten ihre männlichen Identitäten, die sie im Internet auslebte, extrem viel Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Vertrauen und Liebe. All das, was die reale weibliche Person, die dahinter stand, nie zuvor bekommen hatte.

Mein Mitgefühl auf Grund der zahlreichen Verluste, die jemand erlebt, wenn so ein Kartenhaus zusammenbricht, hält sich allerdings sehr in Grenzen. Diese Menschen hinterlassen in ihren Experimenten ein riesiges Feld der Verwüstung. Sie zerstören bei denen, von denen sie gemocht wurden und die sich für sie eingesetzt haben, das komplette Vertrauen. Manchmal brauchen Opfer dieser überaus schwer gestörten Menschen Jahre, bis sie sich wieder frei und unbekümmert im Internet bewegen können.

Zuschriften

auf Grund meiner bisher geäußerten Zweifel an der Diagnose einzelner Betroffener:

Letztens fragte mich jemand, mit welchem Recht ich anderen Menschen die DIS abspreche. Hier eine klare Antwort: Weil ich es nicht mag, von Menschen an der Nase herumgeführt zu werden, die Einfluss auf die – in diesem Fall gefährliche – Darstellung einer Krankheit haben, an der auch ich leide.

Zusätzlich fragte mich dieselbe Person, ob ich so von mir überzeugt sei, dass ich über der Meinung der Patienten oder gar über der Meinung der Ärzte stehe. Meine Antwort: Ja, es gibt einige Bereiche, in denen ich auf Grund meines Wissens und meiner Erfahrung von mir in einer sehr selbstbewussten Art und Weise überzeugt bin. Ärzte und Therapeuten respektiere ich, wenn sie denn seriös und kompetent handeln. Ärzte und Therapeuten aber, die das Narrativ des rituell-satanischen Kultmissbrauchs verbreiten und Patienten überstülpen, haben von mir keinen Respekt zu erwarten.

Nachtrag:

Zu den Vorfällen vor 15 Jahren, an die ich mich hier in diesem Beitrag erinnerte: Ich habe heute noch viele Menschen auf meiner Freundesliste, die ich real kenne und die das gesamte Desaster zum damaligen Zeitpunkt 1:1 miterlebt haben. Sollte es also Zweifel an meiner Darstellung geben, kann man sich gerne an diese Personen wenden.

2 Kommentare

  1. Liebe Marvel,

    der Ärger über die von Dir beschriebenen Vorgänge mag (vermutlich bedingt durch Deine stärkere persönliche Involviertheit) größer sein, deine Einschätzungen entsprechen allerdings ziemlich exakt dem, was auch ich, mein Partner und zwei weitere Personen, mit denen ich mich darüber ausgetauscht habe, beobachtet und gedacht haben. Keine_r von uns ist Betroffene_r, aber wir teilen Deine Einschätzung. Es ist freilich nur anekdotisch, aber ich wollte es Dir einfach als kurzes Feedback mitteilen.

    Beste Grüße
    purkinjezelle

  2. DANKE!

    Seit knapp 8 Jahren diagnostiziert und in entsprechender Behandlung.
    Teilweise schäme ich mich sehr stark für meine Diagnose.
    Ausgelöst durch so manches Schauspiel, welches man auf Sozial Media geboten bekommt.

    „… einer schweren Störung eine Lachnummer und damit ein Outing peinlich zu machen.“ 10/10

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