Warum wir die GWUP nicht mehr empfehlen

Was uns bisher mit der GWUP verbunden hat

Unsere erste Begegnung mit der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) fand im Jahr 2021 statt, als wir auf ein GWUP-Video stießen, was uns damals sehr irritierte:


YouTube Video: Verschwörungstheorie: Vom satanisch-rituellen Missbrauch (Lydia Benecke u.a.) Skepkon 2018

Als Betroffene von Traumafolgestörungen waren wir erschrocken darüber, dass man Opfern nicht glaubt, wenn sie darüber berichten, in einem Kult satanisch-rituellen Missbrauch erlebt zu haben. In Folge lag uns sehr viel daran, die Thesen der GWUP zu widerlegen und so begannen wir mit umfangreichen Recherchen zur Thematik.

Wir studierten einerseits die aktuellen Forschungen über False Memory, verfolgten Studien, befassten uns mit dem Wirken von Elizabeth F. Loftus, verschlangen englischsprachige Artikel und schleusten uns andererseits in viele unterschiedliche Gruppen und Foren ein, wo über die dissoziative Identitätsstörung und rituellen Missbrauch geschrieben wurde. Dort lasen und hörten wir u.a. die schlimmsten Horrorgeschichten, wie Organverspeisungen, Kindstötungen, Programmierungen (Mind Control) und Folterungen. Stundenlang konsumierten wir Videos – und zwar von beiden Seiten: von den Skeptikern genauso wie von den Opfern; von Therapeuten genauso wie von Kriminologen. Wir lasen uns sogar in den modernen Satanismus ein, der keinerlei kriminologische Aspekte aufweist. Nichts wurde von uns ausgelassen, um ein ganzheitliches und ausgewogenes Bild zu gewinnen.

Nach monatelangen Recherchen stand für uns klar fest: Ja, der satanisch-rituelle Missbrauch (heute sprechen wir von: „rituelle Gewalt – Mind Control“ RG-MC) ist eine Verschwörungstheorie. Die Kriminalpsychologin Lydia Benecke und der Journalist/Autor Bernd Harder – bisherige GWUP Mitglieder – sind Experten auf diesem Gebiet und was sie publizieren, entspricht dem wissenschaftlich aktuellen Forschungsstand in Medizin, Psychologie und Kriminologie.

Von da an haben wir uns der GWUP thematisch (teils auch persönlich durch eine Mitgliedschaft) angeschlossen und sind parallel dieser Verschwörungstheorie eigenständig mit unserer Webseite auf den Grund gegangen. Gemeinsam mit der GWUP, vielen Wissenschaftlern, Ärzten, Kriminologen, Gutachtern uvm. konnte wir bereits große Erfolge in der Aufklärung erzielen, die effektiv dazu beitragen, Traumaopfer vor einer Fehltherapie und dieser Verschwörungstheorie zu schützen.

Im Jahr 2023 bekam allerdings das gutes Verhältnis zur GWUP erste Risse. Persönliche Erlebnisse außen vorgelassen, musste wir feststellen, dass Teile der GWUP eine gesellschaftspolitische Haltung offenbaren, die wir strikt ablehnen. Leider befinden sich seit der Neuwahl am 11.05.2024 einige Personen aus dieser Gruppierung in der GWUP-Führungsebene (Vorsitzender, Vorstand und Wissenschaftsrat), was dazu führt, dass wir uns nicht mehr auf die GWUP berufen und dass wir (u.a. bei journalistischen Anfragen) auch nicht mehr auf diesen Verein verweisen können.

Was genau ist passiert?

Wir, Marvel Stella und Nora Sillan, grenzen uns klar gegen jede Positionierung ab, die Themen salonfähig macht, welche subtil oder direkt Diversität, Vielfalt, Pluralismus und Inklusion aller Menschen in Frage stellt. Hierbei handelt es auch um thematische Allianzen oder Interessenskoalitionen mit Playern, die die genannten Werte eben nicht vertreten, wie u.a. (neu)rechte Strömungen. Wir können eine diesbezügliche Aufweichung einer klaren Grenzziehung nicht mit dem vereinbaren, wofür wir seit vielen Jahren stehen (Marvel Stella bei den „Omas gegen Rechts“ und Nora Sillan durch berufliche Einbindung in die Inklusion marginalisierter Gruppen und Menschen mit Behinderung). Als „woke“ verstehen wir uns (noch) nicht, aber wir sind – und das sollte für alle Menschen eine Selbstverständlichkeit sein – gegen Diskriminierung und gegen Strömungen, die menschenverachtende Einstellungen fördern.

Bereits im Jahr 2022 hatte in der GWUP eine innere Spaltung begonnen, es entwickelten sich zwei unterschiedliche Denkrichtungen, die nicht miteinander vereinbar waren und sind. Offensichtlich schien sich in der GWUP das zu manifestieren, was man gemeinhin als „Kulturkampf“ bezeichnet. Im November 2023 bildete sich parallel die von GWUP-Mitgliedern gegründete Skeptische Gesellschaft. Die Gründung der SkepGes hat für die aktuelle Situation eine große Bedeutung, da der neue GWUP-Vorsitzende André Sebastiani dort als redaktionell verantwortliche Person angegeben wird und gemeinsam mit Amardeo Sarma im Impressum steht. Aus diesem Grund haben wir deren Webseite im Detail angesehen, weil das ein Vorgeschmack dessen ist, was nun in die GWUP thematisch integriert wird.

Ein Hauptanliegen der SkepGes ist es, Critical Studies wissenschaftlich zu debunken. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden, wenn es den wissenschaftlichen Standards entspricht. Es geht hierbei also nicht um die Frage „ob„, sondern um das „wie“ bzw. das Ausmaß – und diesbezüglich sehen wir eine durchaus bedenkliche Entwicklung: Auf der Webseite der SkepGes befinden sich derzeit 16 Beiträge und 46 Videos/Podcast. Davon behandeln ca. 60 bis 70% die Themen Identität, Genderstudies, Cancel Culture und Woke/Wokeness.

(Die letzten beiden Verlinkungen führen den Leser zum Web Archive. Dort wird der aktuelle Stand der SkepGes Webseite vom 05.05.2024 gezeigt. Wir nutzen hier die Verlinkungen zu einer statischen Anzeige, da eine nachträgliche Änderung der Seiteninhalte die Angaben unseres Artikels verfälschen könnte.)

Auf der Videoseite der SkepGes ist sogar ein Video zu finden, in dem ein GWUP Mitglied die Frage in den Raum stellt, ob geschmacklose, Holocaustverhamlosende, behindertenfeindliche und menschenverachtende Memes wirklich nicht lustig sein können. Diese Frage bezog sich auf das Video von Jan Böhmermann: Was deutsche Polizisten lustig finden | ZDF Magazin Royale.

Mit Wissenschaft haben solche Videobeiträge nichts zu tun, denn dafür fehlen u.a. die genauen Beschreibungen, die Auskunft darüber geben, warum Menschen in einigen Situationen groteske Reaktionen zeigen, also zum Beispiel über etwas lachen können, was definitiv nicht lustig ist. Als Ursache kommen hier Übersprungshandlungen in Betracht, wenn z.B. jemand auf einer Beerdigung plötzlich zu lachen beginnt. Mitunter zählen aber auch bestimmte Persönlichkeitsstrukturen zu den Ursachen, wie – eine Möglichkeit von vielen – dissoziale Züge.

Einfach nur zu sagen: „Menschen sind halt verschieden“ ist zwar eine legitime Meinung, hat aber mit Wissenschaft nicht das Geringste zu tun. In Folge finden hier einzig nur eine laienhafte Demoralisierung und eine Art von Konfrontation (und Provokation) statt, die bei Holocaustüberlebenden und deren unmittelbaren Nachfahren retraumatisierend – zumindest sehr verletzend – sein können. Genau diese Demoralisierung und Entemotionalisierung scheint eines der Hauptanliegen der GWUP-SkepGes-Protagonisten zu sein, auch dann, wenn es um Menschen und Menschengruppen geht, die von Diskriminierung und Marginalisierung betroffen sind.

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Wie bereits weiter oben im Text angesprochen, werden von eben genannten GWUP-SkepGes-Protagonisten universitäre Studienfächer unter dem Begriff Critical Studies pauschal unter Beschuss genommen. So nennt die jüngst veröffentlichte Pressemitteilung des Wissenschaftsrat die Critical Studies als ein zentrales Thema der GWUP unter Sebastiani. Daraus lässt sich bereits ein deutlicher Tenor ablesen, in welche Richtung sich nun die GWUP entwickeln soll bzw. wird. Dass mit einer pauschalisierenden Kritik jedoch der Komplexität der Materie keine Rechnung getragen wird, wurde vor wenigen Wochen durch die Analyse eines Autor_innenkollektivs im Volksverpetzer anhand des Thesenpapiers von Martin Mahner aufgedröselt. Diese Analyse argumentiert den grundlegenden Denkfehler bei Mahner und anderen Kritiker_innen, denn keine der genannten wissenschaftlichen Disziplinen betreibt eine allgemeine Delegitimation von Erkenntnissen der Wissenschaft. Im Gegenteil, der Fokus dieser Studien wird auf „soziale, gesellschaftliche Sachverhalte und das Wissen über diese“ gelegt, um Diskriminierung bzw. Mehrfachdiskriminierung sichtbar zu machen.

Satanic Panic

Neben den bereits erwähnten gesellschaftspolitischen Aktivitäten der GWUP-SkepGes-Protagonisten ist für unsere Entscheidung, die GWUP nicht mehr zu empfehlen, insbesondere auch deren Haltung zum Narrativ von ritueller Gewalt & Mind Control wichtig.

Der 11. Mai 2024 markiert nicht nur eine Zäsur für den Verein an sich, was dessen gesellschaftspolitische Haltung angeht, sondern der Einschnitt ist viel weitläufiger, als man auf den ersten Blick annehmen würde. Abgesehen davon, dass wir – Marvel Stella und Nora Sillan – uns mit der neuen (personellen) Linie der GWUP nicht identifizieren können bzw. wollen, hat diese auch direkte Auswirkungen auf unsere Aufklärungsarbeiten über rituelle Gewalt & Mind Control.

Bereits im Januar 2024 haben wir uns in einem Artikel ausführlich mit dem Video von Till Amelung und André Sebastiani befasst. Es geht um nicht weniger als die klare Abgrenzung zur Verschwörungstheorie von RG & MC, die sich u.a. bei Sebastiani vermissen lässt, wenn er einen „Blick über den Tellerrand“ fordert (Siehe: „Till Amelung und die Satanic Panic“ und Minute 19:36 ff. im YouTube Talk Cancel Culture in der GWUP?).

In Anbetracht der Tatsache, dass André Sebastiani nun neuer Vorsitzender der GWUP geworden ist, haben sich die in unserem Beitrag aufgezeigten Problematiken ein gutes Stück weiterentwickelt: Wie kann ein Verein, dessen Vorsitzender sich in einem Video nicht klipp und klar bzw. ohne Wenn und Aber von der genannten Verschwörungstheorie RG & MC abgrenzt, die bislang hervorragend geführte Aufklärungsarbeit zu diesem Thema weiterführen, ohne an Glaubwürdigkeit im Innen und Außen zu verlieren? Seit Jahren war die GWUP der Ansprechpartner schlechthin für Medien, Wissenschaft und interessierte Öffentlichkeit, wenn es um Satanic Panic und deren katastrophale Auswirkungen in Behandlungszimmern und Kliniken ging: Unter anderem dank des GWUP-Blogs von Bernd Harder, den Videos von Lydia Benecke, den Arbeiten von Sebastian Bartoschek und vielen anderen, die fundiert argumentierte Infos boten (und bieten). Obwohl wir uns sicher sind, dass die genannten Personen gemeinsam mit (inter)nationalen Forschenden wie Aileen Oeberst, Frank Urbaniok, Susanna Niehaus u.v.a. sowie Medienvertretern am Debunking von Satanic Panic unverändert dranbleiben werden, geht es aus dem bereits zitierten YouTube Talk des neuen Vorsitzenden deutlich hervor, welchen Stellenwert diese Aufklärungsarbeiten unter dem neuen Vorstandsteam in Zukunft haben werden.

Vereine und Personen distanzieren sich von der GWUP

Dass wir von dissoziationen.de mit unserer Kritik am neuen Kurs der GWUP nicht alleine sind, zeigt ein Blick auf die jüngst veröffentlichten Distanzierungen vom Verein, so zum Beispiel seitens EuroConsum, dem 6000-Mitglieder starken Netzwerk, welches sich u.a. für Verbraucherschutz einsetzt. EuroConsum beendet mit 14.5.2024 unverzüglich die Zusammenarbeit mit der GWUP und schreibt als Begründung u.a. dass sie dem neuen Kurs der GWUP nach der Wahl vor dem Hintergrund der eigenen Verbandsidentität nicht folgen wollen.

Auch „Sceptics in the Pub Köln“, gegründet von Mitgliedern der dortigen GWUP-Regionalgruppe, sieht in einer Social Media Stellungnahme „keine gemeinsame Zukunft“ von SitP Köln und der GWUP.

Es ist davon auszugehen, dass weitere Distanzierungen folgen werden.

Aus all den genannten Gründen ist es für uns nicht mehr möglich, die GWUP als Verein zu empfehlen, da deren thematische Zugänge und Positionen nicht mehr mit unseren Werten, Haltungen und Einstellungen korrespondieren.

Marvel Stella & Nora Sillan

Zum Weiterlesen:

Beiträge zum Thema auf unserer Webseite:

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