Autorin: Nora Sillan
Der jüngst im Spiegel erschienene Bericht „Im Wahn der Therapeuten“ hat hierzulande einen Stein ins Rollen gebracht, auf den nun erste Konsequenzen folgen: Das Bistum Münster hat seine Beratungsstelle zur Thematik rituelle Gewalt geschlossen (um nicht zu sagen: Köpfe rollen lassen), eine Einrichtung, die von Jutta Stegemann geleitet wurde – der Therapeutin aus dem Spiegel-Artikel. Fazit: „Die beiden Beraterinnen werden nicht weiter beratend im Bereich der organisierten rituellen Gewalt tätig sein“, wie ein katholisches Nachrichtenportal schreibt.
Seitens des Bistums Münster wird die Schließung gegenüber dem Spiegel folgendermaßen begründet:
„Es sind weder Theorien über rituelle Netzwerke belegt, noch konnte ritueller Missbrauch durch angeblich im Verborgenen organisierte Täterorganisationen nachgewiesen werden.« Die Fortführung der Beratungsstelle sei vor diesem Hintergrund »nicht mehr länger vertretbar«.
Quelle: Der Spiegel, 13.3.2023
Ein Schritt, der prompt von der ebenfalls in Münster ansässigen Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt „ZARTbitter“, die nach eigenen Angaben immer wieder mit Opfern ritueller Gewalt zu tun hat, bedauert wird (anstatt die Vorkommnisse kritisch zu reflektieren): „Ein Angebot, das es nicht mehr gibt, ist ein Angebot weniger“, sagt Geschäftsführerin Astrid-Maria Kreyerhoff von ZARTbitter gegenüber dem WDR. Interessant hierzu: ZARTbitter wird auf einer bundesweiten Plattform ebenfalls als Einrichtung mit „Beratungsschwerpunkt rituelle Gewalt“ genannt.
Wie geht es nun in Münster weiter? Nach Angaben des WDR schließt das Bistum nicht aus, Opfern ritueller Gewalt zukünftig wieder Hilfe anzubieten, wie das konkret aussehen soll, werde aktuell noch diskutiert. Bleibt zu hoffen, dass auf die personellen Konsequenzen nun auch Inhaltliche folgen, und nicht frei dem Motto: „altes Thema – neuer Name“ agiert wird (siehe hierzu auch: https://dissoziationen.de/news/codierte-geheimsprache/).
Die Beratungszentrum des Bistums Münster ist übrigens nicht das einzige, was jetzt rasch in der Versenkung verschwunden ist: Auch das vom Bistum vor Jahren upgeloadete YouTube-Video mit dem Titel: „Im Namen des Teufels. Rituelle Gewalt in satanistischen Sekten“ ist nun nicht mehr verfügbar. Darin hatte Brigitte Hahn, Vorgängerin von Jutta Stegemann im Themenbereich rituelle Gewalt, u.a. von gezielten Persönlichkeitsspaltungen durch satanistische Gruppen gesprochen. Ansichten, die Stegemann 1:1 in ihre Therapiearbeit übernommen hat.
DGTD: Positionierung dringend erforderlich
Angesichts der jüngsten Entwicklungen macht eines jedoch stutzig: Unverändert ist das Tagungsprogramm der DGTD-Tagung 2023 (Deutsche Gesellschaft für Trauma & Dissoziation), welche in Kooperation mit der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Münster Anfang Mai stattfindet (oder vielleicht besser: stattfinden hätte sollen?) abrufbar. Bei dieser Konferenz ist ein Vortrag von Stegemann weiterhin im Programm, so referiert die Therapeutin zum Thema „Spurensuche nach dem Sinn von „Behandlungserfolgen“ bei Klientinnen und Therapeutinnen“.
Jutta Stegemanns Vortag wird mit diesen Worten auf der Webseite angekündigt:
„Suche nach der Sinnhaftigkeit von Grenzerfahrungen in der Behandlung komplex traumatisierter Menschen aus der Sicht von Klientinnen und Therapeutinnen – ein absolut subjektiver Erfahrungsbericht.
In der Beziehung zwischen Therapeutin und Klientin werden beide mit Grenzerfahrungen konfrontiert die vorher nur schwer absehbar sind… und die den Sinn der jeweiligen Arbeit immer mal wieder infrage stellen.
Auf der Seite der Therapeutin erfasst einen immer wieder die Suche nach dem Sinn dafür „warum Menschen so handeln wie sie handeln“ (sowohl die Täter als auch die Opfer) um dadurch zu einem besseren Verständnis dafür zu gelangen wodurch die jeweiligen Motivationen mit Sinn bedacht sind.
Ebenso gibt es bei den Klientinnen Phasen in der Therapie, in denen sie sich fragen, worauf sie sich da wohl eingelassen haben…Momente, in denen sie zweifeln, ob sie das wirklich so wollten wie sie es jetzt erleben und ob das was jetzt gerade mit ihnen passiert – momentan und auch in Zukunft sinnvoll sein kann?
DGTD-Tagungsprogramm,
Diesen Fragen wird aus persönlicher Perspektive nachgegangen.“
Dieser Text wirkt – mit Verlaub – ziemlich zynisch angesichts der Enthüllungen des Spiegel, wie sehr Stegemanns therapeutische „Arbeit“ das Leben ihrer jungen Klientin zerstört hat.
Bereits vor über einem Monat stellten wir in einem Artikel die Frage, ob die DGTD angesichts der Entwicklungen rund um die Verschwörungstheorie plant, ihr Vortragsprogramm allen Erkenntnissen zum Trotz unverändert zu lassen? Wie berichtet finden sich dort Vorträge von u.a. Martina Rudolph, Harald Schickedanz oder Liz Wieskerstrauch zum Thema rituelle Gewalt.
Anzunehmen ist, dass derzeit „hinter den Kulissen“ wohl Krisengespräche geführt werden. Doch die DGTD wird sich klar und eindeutig nach außen positionieren müssen: entweder weiterhin als Vertreterin einer – bewiesenermaßen – Verschwörungstheorie oder aber in einer kritischen Abgrenzung hierzu. Welchen Weg der Verein als deutscher Zusammenschluss von Therapeut_innen und Forschenden zum Thema Komplextrauma und Dissoziation einschlagen wird, bleibt spannend.
Ich bin fassungslos, wie die Aussagen einer EINZELPERSON, die mit allen Mitteln darum kämpft, ihr Kind zurück zu bekommen, unrecherchiert und ohne Beweise solche Folgen haben. Ich bin fassungslos, dass in einer als seriös geltenden Zeitschrift mit vollem Namen beteiligte Personen genannt werden.
Hallo Nora,
Mir ist gerade aufgefallen, dass sich zwischenzeitlich der online Auftritt der DGTD Tagung etwas verändert hat. Der Kooperationspartner EFL des Bistums Münster ist entfernt worden. Im online Programm findet sich auch nicht mehr die Begrüßung durch Frau Stachon-Grothe/ Leiterin EFL, die im pdf Programm noch angekündigt ist.
Hat nun die DGTD wegen der Schließung der Beratungsstelle die EFL ausgeladen oder hat das Bistum die Kooperation beendet?
Der Tagungsort, das Franz-Hitze- Haus ist übrigens eine Einrichtung des Bistums.
Hallo Whg,
das ist eine gute Frage…
Ja, die Änderungen der Onlineversion zum alten PDF-Programm sind deutlich.
Liebe Grüße
Nora