Wo weiterhin Rituelle Gewalt thematisiert wird

Autorin: Nora Sillan

Nach der Absage des Münchner Fachtags zu Ritueller und Organisierter Gewalt (wir haben darüber berichtetet) stellt sich die Frage, wie in Zukunft mit diesem Narrativ umgegangen wird:

Die eine Möglichkeit ist es, Vorträge und Seminare kurzerhand umzubenennen, wie Marvel Stella unlängst thematisiert hat. Dies scheint frei nach dem Motto „altes Thema, neuer Name“ zu geschehen.

Eine weitere Möglichkeit ist es jedoch, das Vortragsprogramm unverändert zu lassen, „die Sache auszusitzen“ und weiterhin in Fachvorträgen und Tagungen über Rituelle Gewalt, Kult-Ausstieg und Mind-Control Programmierungen zu referieren. (Zyniker würden diese Taktik vielleicht als „Vogel-Strauß-Politik“ bezeichnen).

Betrachtet man die Überschriften und Kurzbeschreibungen von anstehenden Konferenzen, so scheinen einige Veranstaltungen die zweite Möglichkeit gewählt zu haben:

Rituelle Gewalt: ein Thema der DGTD-Tagung

Auf der DGTD Tagung zum Thema: „Gewalt – Macht – Sinn. Trauma, Dissoziation und Spiritualität“ im Mai 2023 in Münster, bei der auch Michaela Huber (ehemalige 1. Vorsitzende der DGTD) referiert, gibt es mehrere Vorträge, die explizit auf Rituelle Gewalt Bezug nehmen.

So hält z.B. Filmemacherin Liz Wieskerstrauch (bekannt von der zweiteiligen Dokumentation „Höllenleben“, wo sie mit Protagonistin Nickis über satanistisch-rituelle Gewalt berichtete) auch einen Workshop, dessen Titel gleichnamig mit ihrem neuen Filmprojekt ist: „Der blinde Fleck“.

Für diese Kino-Dokumentation, in der es um Rituelle Gewalt geht, sammelt sie seit längerer Zeit Spenden, um die 347.000 Euro an Gesamtkosten zu finanzieren. Der Unterschied zu den „Höllenleben“-Dokumentationen ist jedoch, dass sich jetzt keine Medienanstalt (mehr) gefunden hat, um diese zu produzieren – sie bekam nur Absagen, wie Wieskerstrauch auf ihrer Spendenwebseite schreibt: „bedauerlicherweise haben die Sender heutzutage diesen Mut nicht“. Unterstützt wird ihr Projekt u.a. von folgenden Vereinen und Einrichtungen: Karo e.V., Michaela Huber-Akademie, CARA (Care about Ritual Abuse) Schweiz, Solwodi, Opferhilfe Sachsen, Traumainstitut Leipzig und der DGTD, auf deren Fachtag Wieskerstrauch nun ihren Vortrag über „Kindesmissbrauch in organisierten rituellen Gewaltstrukturen“ hält.

Weiters veranstalten auf der DGTD-Tagung Harald Schickedanz und Martina Rudolph einen zweiteiligen Workshop (Dauer: insgesamt drei Stunden) über „Ausstiegsbegleitung aus organisierter und ritueller Gewalt und Fragen nach Sinn“. Martina Rudolph, Ärztliche Leitung der u.a. auf DIS spezialisierten Klinik am Waldschlösschen Dresden, hat vor wenigen Monaten der taz ein Interview gegeben, wo sie über anhaltenden Täterkontakt bei DIS-Patienten sprach und auch über die Entwicklungen in der Schweiz: „In der Schweiz wurde eine Beratungsstelle für Opfer ritueller Gewalt in einer Doku des SRF diffamiert. Der Journalist hat das Problem als eine große Verschwörungstheorie abgetan.“

Und last but not least beschäftigt sich Fabian Wilmers (der u.a. auch Bücher von Ellert Nijenhuis übersetzt) in seinem Workshop mit „Gedankenkontrollprogrammierung“. Der Psychologe verweist in seiner Vortragsankündigung auf die „Grundprinzipien und Taktiken von Programmierung“ der „renommierten Expertin Ellen Lacter“ – wie es wörtlich auf der DGTD-Webseite heißt. (Zur Info: Lacter schreibt auf ihrer Homepage „End Ritual Abuse“ von satanistischem Ritualmissbrauch und bietet „Symptomchecklisten“ für Rituelle Gewalt zum Download an.)

BKSF– Ausstiegsseminar aus rituellen Gewaltstrukturen

Eine andere Veranstaltung, die im Februar 2023 über die Bühne geht, ist ein zweiteiliges Seminar der BKSF (Bundeskoordinierung Spezielle Fachberatung) zum Thema „Innerer und Äußerer Ausstieg aus organisierter sexualisierter und/oder ritueller Gewalt“. Referentinnen der beiden Seminare sind Pauline C. Frei und Sabine Weber, die gemeinsam einen Ausstiegsleitfaden für Kult-Betroffene verfasst haben, der u.a. „Suizidprogramme“ und anhaltende Tätergefahr thematisiert (siehe hierzu folgenden Artikel).

*****************************************************************************

Angesichts der laufenden Aufklärung zum Thema Rituelle Gewalt und Mind Control in der Schweiz fragt man sich beim Lesen dieser Ankündigungen, ob diese Fachveranstaltungen wirklich in dieser Form stattfinden. Oder ob vielleicht doch inhaltliche Konsequenzen gezogen werden.

Es bleibt jedenfalls spannend, die Webseiten alle paar Tage aufzurufen: Möglicherweise wird ja bald etwas umbenannt…?

Siehe auch: Codierte Geheimsprache

Informativer Artikel:

Der Satanic Panic-Fraktion voll auf den Leim gegangen: Das Radiofeature „False Memory und sexuelle Gewalt“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert