In sozialen Medien und auch in selbst publizierten Büchern von DIS-Betroffenen ist oft die Rede davon, dass man nur unter »schwerster und brutalster Folter« multipel werden kann.
Diese verzerrte Darstellung macht die dissoziative Identitätsstörung zu etwas ganz Besonderem und erzeugt leider einen überaus destruktiven Leid-Wettbewerb im Internet. Korrekt ist, dass die dissoziative Identitätsstörung – genauso wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung – sehr mannigfaltige und individuelle Ursachen aufweisen kann.
Frank W. Putnam bringt es auf dem Punkt: »Jedes Kind hat das Potential, multipel zu werden«. Natürlich hängt das Ausmaß auch mit dem Grad der angeborenen Sensibilität zusammen. Was bedeutet das genau? Kleinkinder haben keine kohärente Identität. Sie haben – was man im Übrigen auch bei Borderline-Betroffenen sehr gut erkennen kann – primäre affektive Zustände.
Um nur zwei Gefühls-Beispiele zu nennen:
Wut oder Freude, die sich extrem schnell abwechseln können, erscheinen »nackt«. Die Betroffenen leiden üblicherweise sehr stark darunter, weil sie, anders als Kinder, auf verständnislosen Widerstand stoßen.
Erst im Laufe des Lebens entwickeln Menschen üblicherweise ein kohärentes – einheitliches – Selbst.