Autorin: Nora Sillan
Über den Zusammenhang zwischen Satanic Panic und insbesondere evangelikalen Christen haben wir bereits bereits berichtet (siehe: Glaubensfrage SRA) und auf die zahlreiche christliche Literatur hingewiesen, die das „Rüstzeug“ zur „spirituellen Kriegsführung“ vermitteln sollen. Und ebenso auf die evangelikale Einrichtung „Mission Freedom“ in Hamburg, die auf ihrer Webseite neben Zwangsprostitution auch über satanistisch-rituellen Missbrauch berichtet.
Dass insbesondere in evangelikalen Kreisen, die durch eine starke Glaubensdualität „Gott gegen Teufel“ geprägt sind, das Konstrukt satanistisch-ritueller Missbrauch verfestigt wird, zeigt ein aktueller Bericht des SRF. Wieder einmal ist der Schweizer Rundfunk, der mit Recherchen und Berichten zur Aufdeckung der Satanic Panic aufhorchen lässt und auf die Vermischung dieser Verschwörungstheorie mit dem Glauben hinweist – vor allem im Berner Oberland, wo mehrere Seelsorger, Therapeut_innen und Politiker leben und arbeiten, die „an die Verschwörungserzählung glauben und sie weiterverbreiten.“ (ebd.)
Raphaël Günther und Sonja Mühlemann von SRF Investigativ „News plus Hintergründe“ interviewen im ersten Teil des Podcasts den Schweizer Seelsorger Paul Veraguth aus dem Kanton Bern. Das Infoportal Relinfo „Evangelische Informationsstelle Kirchen – Sekten – Religionen“ schreibt über den Seelsorger und seine Zusammenarbeit mit dem Verein CARA:
„2018 verfasste Paul Veraguth einen Beitrag fürs Buch «Das Schweigen brechen – Rituelle Gewalt mitten unter uns» des umstrittenen Vereins CARA, der die «Satanic Panic»-Verschwörungstheorie verbreitet. Paul Veraguth selbst befeuerte diese Konspirationsthese in seinem Beitrag (…)“
Vom ehemaligen Pfarrer sind zwei lange Vorträge über rituellen Missbrauch abrufbar. In diesen hält er zu Beginn fest, dass er keinerlei psychologische/medizinische Ausbildung bzw. ein einschlägiges Studium hat, sondern rein seelsorgerisch tätig ist und beschreibt danach in einem fast zweistündigen Onlinevortrag einen „biblischen Heilungsweg“ für Opfer rituellen Missbrauchs. Veraguth spricht von einer Hörigkeit der Innenteile („abgespaltenen Seelenteilen“) gegenüber Satan, von Programmierung und Tätern, die Satan dienen. Durch „satanische Rituale“ seien viele Seelenteile gebunden (Min. 1:32:53), z.B. als „Satansbräute“ (ebd.)., doch diesen bringe er nun das Evangelium nahe.
Im Interview mit dem SRF erzählt Paul Veraguth von einer Art Selbsthilfegruppe, die er leitet, sowie zwölf Frauen, die er über die Jahre unentgeltlich betreut habe, von Geheimbünden und familiären Zirkeln, die dem Satanismus anhängen würden und von „programmierten Persönlichkeitsanteilen“. Auch „Befreiungsdienste“ bietet er an, wo er „umgangssprachlich gesagt, Menschen den Teufel und Dämonen austreibt“ (Glaube an Teufel: Verschwörung verbreitet sich im Berner Oberland.) Doch auf die konkrete Frage nach der Verschwörungstheorie antworte der Seelsorger ausweichend und den Vorwurf, mit der Seelsorge den Frauen zu schaden, weist er zurück, erzählen die beiden SRF-Journalisten.
Veraguth hat sogar bei der Namensänderung einer Frau geholfen, um sie vor vermeintlichen Tätern zu schützen. Nach einem psychiatrischen Gutachten wurde dies auch bewilligt – was die Dimensionen zeigt, die diese Verschwörungstheorie bereits hat, berichtet der SRF.
Der forensische Psychiater und leitende Arzt des psychiatrischen Zentrums Appenzell-Ausserrhoden Dr. Thomas Knecht ordnet diese Thesen über satanistischen Missbrauch und Mind Control folgendermaßen ein: „Dafür gibt es keine Beweise. Mir ist in 40 Jahren Tätigkeit niemand begegnet, der über solche Fähigkeiten verfügt“ (Glaube an Teufel: Verschwörung verbreitet sich im Berner Oberland)
Dennoch werde mit diesen Verschwörungstheorien auf eine Denkschablone zurückgegriffen, um erklären zu können, warum jemand psychisch leide: „Es kann wohltuend sein, wenn man sich aus der Eigenverantwortung ein Stück weit entlassen fühlt. Aber es ist nicht das Gleiche wie eine Problemlösung“. (ebd.) Und deswegen habe diese Verschwörungstheorie auch nichts bei der Betreuung von psychisch Erkrankten zu tun. Denn: „Eine Therapie sollte Patient_innen zu Selbstbestimmung hinführen.“ (ebd.).
Weiterführende Links:
https://www.srf.ch/news/schweiz/satanic-panic-glaube-an-teufel-verschwoerung-verbreitet-sich-im-berner-oberland Bericht des SRF
https://www.srf.ch/audio/news-plus-hintergruende/satanic-panic-im-teufelskreis-trailer?id=12400417 Trailer zum Podcast Teil 1
https://blog.gwup.net/2023/06/14/die-satanic-panic-ist-auch-in-religioesen-kreisen-angekommen/ GWUP Blog
Hier geht es weiter zum zweiten & dritten Teil: