Die kleine, niederländische Gemeinde mit dem schwierig auszusprechenden Namen Bodegraven-Reeuwijk machte jüngst Schlagzeilen, weil sie sich mit dem Internetgiganten Twitter wegen eines Satanic Panic Gerüchts angelegt hatte. Klingt ein wenig wie das „kleine gallische Dorf“, das mit Hilfe von Asterix den Römern Widerstand leistete: Twitter sollte, so war das Begehr, alle Tweets löschen, die sich auf die Verschwörungstheorie bezogen, dass in der holländischen Gemeinde ein satanistischer Pädophilenring mehrere Kinder getötet haben soll.
Was war die Vorgeschichte?
Joos K., der in der Gemeinde aufgewachsen war, hatte mehrere Jahre lang Gerüchte gestreut, dass Gemeindemitglieder in einem satanistischen Pädophilennetzwerk in den 1980er Jahren Kinder ermordet hätten. Das wüsste Joos K. deswegen, weil er selbst als Kind Zeuge gewesen sei, ein Nachrichtenportal schrieb von „wiedergewonnenen Erinnerungen“. (Quelle: Verschwörungstheoretiker haben es auf die Gedenksteine Vaatstra und Verstappen abgesehen)
Die Gerüchte und Verschwörungstheorien gingen sogar noch weiter: Es wurde behauptet, dass auch Jaap van Dissel, niederländischer Chef-Virologe im Kampf gegen die Corona-Pandemie (der in Holland den Job machte, den bei uns Christian Drosten innehatte), ebenfalls in den Kult verstrickt sei. Natürlich völliger Unsinn und absolut an den Haaren herbeigezogen.
Mag van Dissels Job während der Pandemie mit ein Grund gewesen sein, warum er derartig ins Visier von Verschwörungstheoretikerin geriet? Eines fällt auf: Die abstruse Story von Joos K. kam nämlich erst so richtig ins Rollen, als Micha K. (in dessen Chatrooms es übrigens auch Drohungen gegen niederländische Impfteams gab) (Micha Kat – niederländischer Verschwörungstheoretiker) und Wouter R., zwei Verschwörer der ersten Liga, sich die Verbreitung dieser Falschbehauptungen auf die Fahnen hefteten.
Qanon, Satanic Panic und Corona-Verschwörungstheorien schienen hier Hand in Hand zu gehen und sich in den Telegram-Chats wie ein Buschfeuer zu verbreiten: Es ging sogar so weit, dass Satanic-Panic-Anhänger auf den örtlichen Friedhof pilgerten, um Blumen und Botschaften an Gräbern der angeblich satanistisch ermordeten Kinder abzulegen – was nicht nur die Angehörigen der Verstorben entsetzte. Es gab Drohanrufe an die Gemeinde, Konversationen wurden aufgenommen und ins Netz gestellt und letztendlich musste der Friedhof einen Sicherheitsdienst engagieren, um die Gräber zu schützen.
Die drei Menschen, die diese Satanic Panic geschürt haben, sitzen in Haft, allerdings wegen anderer Vergehen, u.a. wegen Morddrohungen gegen den niederländischen Premierminister.
Joos K. sah im vergangenen Jahr – konfrontiert mit einem Prozess wegen Verleumdung und Volksverhetzung – ein, dass er niemanden verleumden dürfe, blieb laut Medienberichten seiner Satanic-Panic-Story aber trotzdem treu. (Quelle: Complotdenker Knevel wil geen rotzooi meer trappen, maar laat zijn theorieën niet los)
Das absurde Gerücht von der Satanic Panic ist jedoch kaum noch aus der Welt zu schaffen, auch wenn Twitter die Accounts der drei inhaftierten Männer gesperrt hat und damit – dem aktuellen Urteil des niederländischen Gerichts in Den Haag zufolge – genug getan habe.
Es war David gegen Goliath: eine Gemeinde mit 35.000 Einwohnern gegen einen Internetriesen mit 5 Milliarden Dollar Umsatz. Diese aktuelle Klage war zwar ein Misserfolg, allerdings keine Total-Niederlage. Denn irgendwann bringt ein Stein aus einer Steinschleuder auch einen Riesen zu Fall. Vielleicht noch nicht jetzt, aber das nächste Mal.
Und eines zeigt dieses Gerichtsverfahren klipp und klar: Die Verbreitung von Satanic Panic Verschwörungs-Behauptungen hat Konsequenzen und es ist von der Gesellschaft nicht hinnehmbar, dass substanzlose Lügen verbreitet werden und der sprichwörtliche Teufel an die Wand gemalt wird, wo keiner ist. |
Zum Nachlesen:
- Twitter muss nicht aktiv nach Fakestorys über Gemeinde suchen
- Twitter soll Verschwörungstheorien über Pädophilenring löschen
- Eine niederländische Kleinstadt, die zum Ziel pädophiler Gerüchte geworden ist, verklagt Twitter vor Gericht
- Verschwörungstheoretiker Knevel will nicht mehr rumalbern, lässt aber seine Theorien nicht los