Wie kann man Programmierung ausschließen?

Unter dem GWUP-Beitrag: „Science-Fiction und magisches Denken“: ein Psychiater über die Verschwörungsideologie vom satanisch-rituellen Missbrauch stellte eine Kommentatorin namens »Carla Columna« einige durchaus berechtigte Fragen, auf die man m.E. nicht auf die Schnelle eingehen kann. Allgemein wünschte ich, es würden mehr Menschen fragen und hinterfragen, denn nur so lassen sich Verschwörungen erklären und auflösen.

Da ich annehme, dass sich sehr viele Menschen dieselben Fragen stellen, schreibe ich zu diesem Thema einen Beitrag.

Frage:
„Wie kann man wissenschaftlich belegen, dass die Möglichkeit der „Programmierung“ definitiv ausgeschlossen werden kann?
Es wird, so wie ich es bisher gelesen habe, immer damit argumentiert, dass, wenn diese Möglichkeit bestünde, diese schon längst von Militär, FBI, CIA etc. genutzt werden würde. Ok, aber die angeblichen „Programmierungen“ werden ja nach Aussagen der Betroffenen im Kleinkindalter „gesetzt“. In dieser Zeit ist das Hirn ja noch anders strukturiert als im Erwachsenenalter. Da ja mit Sicherheit keine derartigen Versuche an Kleinstkindern vorgenommen werden, wie kann es also wirklich zu 100% ausgeschlossen werden?“
Kommentar auf dem GWUP-Blog

Zuerst einmal muss man konkret überlegen, was man unter Programmierung  versteht. Es geistern da in einschlägiger Traumaliteratur (u.a. Miller, Breitenbach, Huber & Co) sehr vereinfachte „wenn-dann“-Hypothesen herum, gerade so, als hätte man einen Computer vor sich. Michaela Huber beschreibt das Gehirn sogar direkt als biochemischen »Großcomputer« (vgl. Michaela Huber, Multiple Persönlichkeiten, Neuauflage 2010, S. 46)

So einfach funktioniert das menschliche Gehirn allerdings nicht.

Ich schrieb bereits in einem Kommentar unter dem Blog, dass man Programmierung nicht mit Konditionierung gleichsetzen soll. Das tun im Moment jedoch viele Verschwörungs-Gläubige, weil Mind Control und Programmierung beim Menschen hinterfragt werden. Konditioniert (klassisch und vor allem operant) werden wir das ganze Leben lang. Eine spezielle und vor allem verlässliche Programmierung aber, wo man einen „Wenn-Befehl“ eingibt und der programmierte Mensch in Folge eine entsprechende „Dann-Reaktion“ zeigt, konnte beim Menschen noch niemals nachgewiesen werden.  Es funktioniert vor allem deswegen nicht, weil wir Menschen keine Maschinen, sondern lebende Wesen sind. Nicht nur die Biochemie hat Einfluss darauf, wie wir auf die Eingaben der Umwelt/Mitmenschen reagieren bzw. wie wir was verbinden oder trennen (assoziieren und dissoziieren). Es spielen in einem großen Ausmaß auch die Gene hinein, der Grad der Sensibilität, Dispositionen bzw. Veranlagungen aller Arten.

Dass ein Mensch keine berechenbare Maschine, sprich kein „Großcomputer“ ist, zeigt sich u.a. auch in der Zwillings- und Geschwister-Forschung:  Selbst wenn Geschwister unter denselben Bedingungen aufwachsen, kann es doch passieren, dass der eine psychisch schwer krank, der andere aber gesund, stabil und erfolgreich wird.

Das bedeutet: Wenn Menschen andere Menschen zu programmieren versuchen, ist das Ergebnis in jedem Fall ungewiss, in Folge ist dies also nicht möglich.

Was innerhalb der Verschwörung erschwerend hinzukommt, ist die Behauptung, dass man extra Anteile „abspaltet und programmiert“. Das ist ja bereits bei einer kohärenten Person nicht möglich, wie soll es dann gelingen, speziell (nur!) einen Persönlichkeitsanteil dazu zu bringen, etwas Bestimmtes zu tun, zu denken, zu fühlen, wenn…   

Nicht nur, dass das Gehirn eines Menschen kein Computer ist, auch sind dissoziative Identitäten keine Schubladen. In der Trauma-Literatur scheint es bei der DIS keinerlei Individualität zu geben, gerade so, als kämen Betroffene von einem anderen Stern, auf dem sie mittels Fließbandarbeit hergestellt wurden/werden.  So schreibt Gaby Breitenbach zum Beispiel: »Dieses System (DIS-System) ist von außen strukturiert und damit auch von außen gut steuerbar.«  (vgl. Innenansichten dissoziierter Welten extremer Gewalt: Ware Mensch – Die planvolle Spaltung der Persönlichkeit, S. 55)

Neben all den genannten und nicht genannten Fakten kommen die Programmier-Beschreibungen in der einschlägigen Trauma-Literatur hinzu: unter anderem beim „Ekeltraining“, wo der medizinischen Aspekt in großen Teilen komplett ausgeblendet wird.  Oder beim sogenannten „satanischen Ritual“ (Huber, Multiple Persönlichkeiten, S. 76):

Egal, wie oft da angeblich irgendwelche Priester und Satanisten schwankend im Tanze »Kum-mi-schi-la, La-schi-na, Pen-schi-i-ah, Kum-i-fa« (Huber, Multiple Persönlichkeiten, S. 77) summen und Dolche einführen, Blut trinken lassen, vergewaltigen etc., es kommen keine Anteile heraus, sondern – im Falle, dass jemand diese beschriebenen Gewaltfantasien nachahmt, die laut Huber aus einem amerikanischen Buch stammen sollen, – Menschen, die verrückt werden oder sterben.

Frage:
„Weiter habe ich mich gefragt, wieso, bzw. auf welcher Grundlage gesagt werden kann, dass eine von Tätern geschaffene DIS nicht möglich ist?“
Kommentar auf dem GWUP-Blog

Diese Formulierung („geschaffene DIS“) impliziert eine bewusste Tat/Handlung. Eine Dissoziative Identitätsstörung kann allerdings nicht gezielt erzeugt werden.

Traumatherapeuten sagen, diese Krankheit sei noch sehr unbekannt und unerforscht. Das ist aber nicht korrekt, denn die Forschung ist weltweit seit Jahrzehnten, ja, wenn es man es genau nimmt, sogar seit mindestens 100 Jahren im vollen Gange. Die Entstehung der Krankheit unterliegt zu vielen unterschiedlichen Faktoren, als dass man sie gezielt herstellen könnte. Es sei denn, man spielt Russisch-Roulette à la: »Wir vergewaltigen und foltern mal 100 Kinder, vielleicht klappt es ja bei einem«.

Genau das ist letztendlich auch das Problem, was ich immer wieder anspreche: Die Dissoziative Identitätsstörung (so auch deren Entstehung) wird stereotypisch, dogmatisch und in ganz engen Gleisen skizziert – ohne Platz für individuelle, menschliche Regungen und für eine bunte Vielfalt. Man muss kein Psychologe sein, um zu merken, dass an dieser Darstellung irgendwas nicht stimmen kann. Jeder, der sich ein bisschen mit der menschlichen Gattung auskennt, weiß, dass hier kompletter Unsinn verbreitet wird.

Frage:
„Sofern Täter etwas über die Entstehung der DIS wissen, so wissen sie doch in dem Moment auch, dass extreme Traumatisierungen genau dazu führen können. So ist es doch, nach meiner Logik, sehr wohl möglich eine DIS absichtlich hervorzurufen.“
Kommentar auf dem GWUP-Blog

Es gibt keine konkreten Traumatisierungsarten, die eine DIS hervorrufen/erzeugen können. Insofern kann kein Mensch wissen, was er konkret zu tun hat. Die Annahme, eine DIS entstehe nur bei extremen Traumatisierungen, ist falsch.  

Frage:
„Gibt es zu diesen beiden Fragen Quellen bei denen ich mich einlesen könnte?“
Kommentar auf dem GWUP-Blog

Ja: → Studium Psychologie

Zum Weiterlesen:

Dissoziative Identitätsstörung

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