Der Einsatz des Wahrheitsserums

In den 1970er und 80er Jahren gab es in den USA plötzlich einen extremen Anstieg der Diagnose „multiple Persönlichkeit“: Therapeuten, Psychologen und Psychiater fanden die Störung derart faszinierend, dass sie sehr viele Menschen, die eigentlich an Borderline oder anderen Störungsbildern erkrankt waren, als multipel diagnostizierten.

Vorreiterin dieses Trends war die Therapeutin Cornelia B. Wilbur, die mit dem Buch „Sybil“, was sie zusammen mit der Journalistin Flora Rheta Schreiber verfasst hatte, ein Vermögen verdiente. Daraufhin wollte jeder Psychiater/Psychotherapeut seine ganz eigene „Sybil“ haben.
Zu jener Zeit und in Verbindung damit entstand auch die Verschwörungstheorie Satanic Panic.

Später wurde bewiesen, dass das Buch Sybil durchwegs erfundene – abgesprochene und dramaturgische – Darstellungen enthielt. Zwar gab es die Patientin Sybil wirklich, die mit realem Namen Shirley Ardell Mason hieß, aber der tatsächliche Therapieverlauf, so auch die Krankheit der Patientin, stellten sich in der Realität anders dar als es anschließend publiziert wurde.

Cornelia B. Wilbur, über die ich demnächst noch einen extra Artikel schreiben werde, galt damals bei einem kleinen Kreis einflussreicher Therapeuten als Koryphäe im Bereich der multiplen Persönlichkeitsstörung. Es gab aber auch Skeptiker und Kritiker, so wurde Wilbur z.B. von der Psychologin Dr. Marlene Kocan als eine sehr dramatische Frau beschrieben. Kocan hielt fest, dass der Verstand nicht so funktioniere, wie es Wilbur dargestellt hatte. Und da stimme ich ihr uneingeschränkt zu.

Wilbur war nicht nur extrem suggestiv, sie legte ihren Patienten die Worte und Antworten buchstäblich in den Mund. Hinzu kam, dass sie grundsätzlich mit dem von Dr. Allen J. Frances beschriebenen (und heute scharf kritisierten) Medikament Amobarbital – auch unter dem Namen „Wahrheitsserum“ bekannt – praktizierte.

Cornelia B. Wilbur war eine derer, die multiple Persönlichkeiten durch Suggestion erzeugte. Und sie schreckte auch nicht davor zurück, Druck auf die Patienten auszuüben, der bereits in eine erpresserische Richtung ging, wenn diese ihre Berichte widerrufen wollten.

In der heutigen Zeit gibt es zum Glück sehr viel Kritik von renommierten Psychotherapeuten und Professoren an ihren damaligen Methoden. Zumindest in den USA.
In Europa ist momentan die Schweiz in der Aufklärung über die Dissoziative Identitätsstörung sehr weit fortgeschritten. Deutschland ist jedoch auf dem Forschungsstand steckengeblieben, den die USA in den 1980ern gehabt hat.

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