Rituell – satanisch

Autor: Marvel Stella

Zuallererst möchte ich zwei Teilabsätze zitieren aus dem Artikel Der Glaube an satanistischen Missbrauch breitet sich in der Schweiz aus vom 21.05.2022:

Im November 1980 publizierten Michelle Smith und Lawrence Pazder das Buch »Michelle Remembers«. Pazder war Psychiater in Kanada und Michelle Smith ab 1973 seine Patientin. Ursprünglich hatte sie ihn wegen ihrer Depressionen aufgesucht. Doch in den sieben Jahren der Therapie bis zur Publikation des Buchs will Smith ungeheuerliche Dinge über ihre Kindheit herausgefunden haben….

… Das Buch über Smiths Erinnerungen wurde zu einem phänomenalen Erfolg. Smith war in zahllosen Talkshows zu Gast, Pazder hielt Vorträge und wurde als Experte von Fürsorgebehörden und der Polizei konsultiert. Er prägte den Begriff des »rituellen Missbrauchs« und regte an, sein Buch zu verfilmen…

Dieses Buch, dessen Inhalte sich später als unwahr heraus stellten, war der Beginn der Satanic Panic, also der panischen Angst vor satanisch-rituellem Missbrauch. Auf der oben verlinkten Seite ist die Entstehung noch mal sehr detailliert und verständlich beschrieben worden.

Ich sehe hier nicht nur den Beginn einer Verschwörung, sondern auch einer Begriffsbestimmung, die es in der heutigen Zeit erschwert, Aufklärung zu betreiben. Konkret geht es mir dabei um den Begriff »ritueller Missbrauch« oder »rituelle Gewalt«.

Es heißt weiter in dem Artikel:

Die Begriffe «ritueller Missbrauch» und «rituelle Gewalt» sind nicht exakt definiert, was die Diskussion um das Phänomen erschwert. 

Lawrence Pazder hat diesen Begriff geprägt bzw. in die Welt gesetzt, unzählige Therapeut:innen und (Schein-)Betroffene aber haben ihn übernommen und jahrzehntelang unwiderruflich mit dem Begriff »satanisch« und »Satanismus« verkoppelt.

Nehmen wir als Beispiel Michaela Huber, eine Psychotherapeutin, die sich seit den 90ern mit dem Thema Multiple Persönlichkeit/Dissoziative Identitätsstörung befasst und der Verschwörung Satanic Panic einen Nährboden im deutschsprachigen Raum gegeben hat.

Immer sprach und schrieb sie vom satanisch-rituellen Missbrauch. In all ihren Artikeln, Büchern und Videos. Seitdem die Skepsis und Kritik an dieser Verschwörung wissenschaftlich untermauert werden kann, geht Frau Huber seit einigen Jahren dazu über, nur noch vom rituellen Missbrauch oder von der rituellen Gewalt zu sprechen, obwohl sie sich nach wie vor auf den satanischen Missbrauch bezieht.

All ihre Anhänger:innen, wie ich sie hier leider nennen muss, bestehend aus (Schein-)Betroffenen und psychotherapeutischen Gläubigern, tun es ihr gleich.

Der Grund ist ganz simpel.

Wenn jemand Kritik übt oder zu verstehen gibt, dass das, was erzählt wird, 40 Jahre lang nicht belegt werden konnte, argumentiert man jetzt, dass man als Skeptiker organisierte-sexualisierte und rituelle Gewalt in Abrede stellt und deren Existenz abstreitet. Damit würde man den Tätern in die Hände spielen oder man wäre sogar selbst ein Täter.

Nicht nur Therapeuten, die die Verschwörung als wahr empfinden, nicht nur selbsternannte Betroffene, sondern leider auch der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindermissbrauchs (UBSKM) schließt sich dem Vorgehen an. Unmittelbar, nachdem die Skeptiker das Video Skepkon 2018 veröffentlichten, erschien der Artikel:

Darin wird behauptet, Skeptiker/Kritiker würden rituelle Gewalt in Abrede stellen. Aufgezählt wurden dann allerdings nur Straftaten und kriminelle Handlungen, die niemals irgendeiner auch nur im Ansatz angezweifelt hat. Unter anderem kommerzielle und sexuelle Zwangsprostitution und sexuelle Gewalt allgemein. Es ist aus meiner Sicht grotesk, dass sich der UBSKM hierbei auf eine Webseite stützt, die von einer Betroffenen ins Netz gestellt wurde. Eine Person also, die scheinbar fest davon überzeugt ist, satanisch-rituell in einem internationalen Kult missbraucht worden zu sein. Sie führt zusammen mit der Medienpädagogin / Freien Journalistin Claudia Fischer, mit dem Verein Mosaik gegen Gewalt und der Emanuelstiftung die Seite Infoportal Rituelle Gewalt.

Ich empfehle den Lesern und Interessenten, sich die Webseite Infoportal Rituelle Gewalt genauer anzuschauen. Man wird nirgendwo einen Fall entdecken, in dem es um ein satanisches Verbrechen in einem groß angelegten Kult geht. Es ist maximal von einem Einzeltäter die Rede, wo jemand laut Zeugenaussage der Nachbarn einem okkultistischen Orden angehört haben soll, wie hier: Toter im Harz: Zeugen sagen über okkultistischen Orden aus. Dies aber war – wie gesagt – nur eine Aussage der Nachbarn und konnte niemals nachgewiesen werden. Nirgendwo wird man Straftaten sehen, die auch nur im Ansatz satanische Kultverbrechen aufzeigen, wie sie die Betroffenen im gesamten Internet verstreuen oder wie sie auch von der Therapeutin Michaela Huber postuliert werden.

Dass man den Begriff »ritueller Missbrauch«, der so eng mit dem »satanischen Missbrauch« verknüpft ist, nun auch auf alle anderen Verbrechen ausweitet, hat aus meiner Sicht Methode. Damit möchte ich nicht dem UBSKM unterstellen, methodisch vorzugehen. Er – da bin ich mir sicher – hat nur etwas übernommen, was seit Jahren von einigen Therapeuten und Betroffenen methodisch verknüpft wurde, um Kritiker mundtot zu machen.

Und genau das muss ein Ende haben.

Wir dürfen den Begriff »ritueller Missbrauch« nicht mehr – wie es im Ursprung war – mit dem satanischen Missbrauch gleichsetzen. Im Gegenteil. Wir müssen ihn vom Satanismus loskoppeln. Es wäre sicher hilfreich, sich bewusst zu machen, dass »rituell« vom Begriff »Ritual« abstammt. Rituale begegnen uns im Alltag überall. Alleine schon das tägliche Zähneputzen ist ein Ritual. Sie sind für Kinder sogar überaus hilfreich und notwendig, denn sie vermitteln Sicherheit und Orientierung. Etwas, was uns im Alltag in dem Ausmaß positiv umgibt, kann man genauso auch in negativer Hinsicht ausüben oder erleben. Das bedeutet: Natürlich gibt es den rituellen Charakter auch in unzähligen Verbrechensarten.

Mein Vorschlag an alle Kritiker ist, einzig nur noch vom »satanischen Missbrauch« zu sprechen, wenn wir uns auf die Satanic Panic beziehen. Um das Totschlagargument, wir würden nicht an rituellen Missbrauch glauben, zu entkräften, ist es wichtig, in der Aufklärung zu vermitteln, welche Verbrechen rituellen Charakter haben. In vielen Sekten zum Beispiel sind konditionierende Gewalt-Rituale an der Tagesordnung, nur dass sie nichts mit einem satanischen Altar und irgendwelchen blutrünstigen Kindstötungen zu tun haben.

Sich ständig sagen lassen zu müssen – und da richte ich mich nun auch an den UBSKM – dass man nicht am Missbrauch und an organisierte Gewalt glaubt, ist ein Affront, der seinesgleichen sucht. Damit beziehe ich mich vor allem auf die offiziellen Stellen, an die ich mich auch noch persönlich wenden werde.

Zum Weiterlesen: Ritueller und organisierter Missbrauch

2 Kommentare

  1. Ritueller Missbrauch ist vielfältig z.B. wenn ein Kleriker ein Kind missbraucht; wenn Jugendliche bei einem Initiationsritual sexuell angegangen werden oder bei Aufnahmeritualen selbst sexuell übergriffig sind; wenn einem Kind oder Jugendlichen bei einem Beschneidungsritual das Genital verstümmelt wird. Selten wird aber dieserart ritueller Missbrauch auch so benannt. Stattdessen kapriziert man sich immer noch auf „satanischen“ Missbrauch, ohne ihn zu konkretisieren. Er bleibt ein Hirngespinst. Schließlich gibt es keine satanische Sekte, die derlei von „Hexenjägern“ behaupteten Missbrauch praktiziert. Kindesmissbrauch gehört nicht zum Selbstverständnis von Satanisten.
    Lotosritter

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