Spiegel: Fachgesellschaft zur „Causa Fernsehrat“

Autorin: Nora Sillan

Bereits in den vergangenen Wochen wurde Kritik an der Entscheidung des ZDF-Fernsehrats laut, nachdem dieser das Magazin Royale über rituelle Gewalt im Dezember depubliziert hatte. Nun äußert sich die „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde“ (DGPPN) in einem Schreiben an den Fernsehrat von Anfang Januar 2024 in klaren Worten. DGPPN-Präsident Andreas Meyer-Lindenberg betont in einem Interview für den Spiegel die gute Recherche des Magazin Royale, wo die Probleme gut herausgearbeitet wurden: „Böhmermann hat nichts falsch gemacht“.

Im Zuges des Interviews spricht sich Meyer-Lindenberg klar gegen das Narrativ von Mind Control aus, wo auch jahrhundertealte Verschwörungsmythen hineinspielen: „Von blutsaufenden Eliten ist die Rede, von Satanskulten. Für nichts davon gibt es Belege.“ Gleichzeitig warnt er vor der Möglichkeit von False Memories und ist beunruhigt, dass diese „haltlosen Theorien zu »Programmierung« und Geheimkulten“ jahrelang und ohne internen Widerspruch auf Fortbildungen Thema waren bzw. auch in Fachbücher Einzug hielten. Diesbezüglich sieht er die wissenschaftlichen Fachverlage in der Verantwortung für eine Klarstellung.

Im Interesse aller Opfer

Bei therapeutischen Fehlern müssen diese auch benannt werden, sagt Meyer-Lindenberg im Gespräch mit Christopher Piltz und bezieht sich damit auf therapeutisch induzierte Scheinerinnerungen. Es sei im Interesse aller Opfer, denn: „Wir tun niemanden einen Gefallen, wenn wir die Nebenwirkungen von Psychotherapien, die es hier wie bei allen Therapieformen gibt, nicht benennen.“

Die DGPPN, eine psychiatrisch-medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern, ist derzeit bei der Aufarbeitung: So wurde unter dem Titel „Dissoziative Identitätsstörung und rituelle Gewalt: Fakten und Fiktionen“ beim jährlichen Kongress Ende November 2023, dem größten seiner Art in Europa, ein Vortragsschwerpunkt abgehalten, der das Thema rituelle Gewalt aus unterschiedlichen Kontexten beleuchteten. Dazu hieß es in der Programmankündigung:

„Ausgehend von den USA gab es in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts vermehrte Berichte über rituelle körperliche und sexuelle Gewalt, ausgeführt von „satanistischen“ Zirkeln, die als „Satanic Panic“ Eingang in die Literatur gefunden haben. Viele der Fälle wurden mit der Diagnose Dissoziative Identitätsstörung in Verbindung gebracht. Bis heute halten sich diese Narrative, Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen stellen entsprechende Diagnosen und bieten Behandlungen an. In der Schweiz und in Deutschland wurden aktuelle Einzelfälle publik, in denen davon auszugehen ist, dass Patientinnen und Patienten durch diese Behandlungen Schaden genommen haben.“

„Ich hoffe, dass die Sendung wieder publiziert wird“

Der DGPPN-Präsident äußert sich im Interview auch zur Berichterstattung im Zuge der Aufklärung und betont, dass die medialen Veröffentlichungen wichtig waren. Als problematisch erachtet er jedoch die anschließende Debatte in den sozialen Medien, wo Traumatherapeuten unter Generalverdacht gestellt wurden.

Sein abschließendes Fazit im Spiegel: „Ich hoffe, dass die Sendung wieder publiziert wird. Sollte das nicht dazu kommen, müssen wir überlegen, ob wir uns als Fachgesellschaft dazu öffentlich nochmals klar positionieren.“

Die nächste Plenarsitzung des Fernsehrates findet am 15. März 2024 statt.

Weiterführende Links:

In Rechtspsychologie Ausgabe 02/2024 beschäftigen sich Silvia Gubi-Kelm und Luise Greuel ausführlich mit dem Thema Rituelle Gewalt und legen argumentativ dar, warum die Kritik der UBSKM nicht haltbar ist

Ein Kommentar

  1. „Als problematisch erachtet er jedoch die anschließende Debatte in den sozialen Medien, wo Traumatherapeuten unter Generalverdacht gestellt wurden.“

    Wo war das eigentlich der Fall? Die einzige Stelle, bei der ich davon gelesen habe, war der Betroffenenrat.

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